Corona-Management der KVN ist mehr als mangelhaft
- offener Brief - 01. März 2020
Sehr geehrter Herr Barjenbruch,
sehr geehrter Kollege Berling,
lieber Jörg,
wie wir der Presse entnehmen konnten, soll Niedersachsen bestmöglich auf eine Verbreitung des Coronavirus (Covid-19) vorbereitet sein. Die Presse verweist darauf, dass Personen, die einen Corona-Verdacht hätten, erstmal den Hausarzt telefonisch kontaktieren sollen.
Per BD Online erweckt die KVN den Anschein, als wenn es Aufgabe der Praxen oder des Hausbesuchsbereitschaftsdienst sei, zur Anfertigung von Abstrichen bei entsprechenden Verdachtsfällen auszurücken. Die Frage nach Schutzkleidung und Desinfektion wird von der KVN dahingehend beantwortet, dass diese Hilfsmittel per Praxisbedarf nicht verordnungsfähig seien. Aus eigener Anschauung wissen wir, dass Schutzmasken der Klasse FFP 2 und 3 in den Bereitschaftspraxen nicht ausreichend vorhanden sind. Man darf auch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Ausrüstung des Fahrdienstes unzureichend sein dürfte.
Dabei stellt sich zunächst die Frage nach der Zuständigkeiten für die Bewältigung und das Management und nicht zuletzt auch die Finanzierung dieses massiven Virusausbruchs. Ist hierfür nicht der öffentliche Gesundheitsdienst - also die entsprechenden Gesundheitsämter - der originäre Ansprechpartner für die Bewältigung von seuchenartigen Situationen ?
Dort müsste eine zentrale Stelle für die Information der Bürger und unserer Kollegen eingerichtet sein, die 24 Stunden erreichbar ist. Dort müsste auch die Entnahme und Verarbeitung der Abstriche organisiert werden und dort müsste sich auch die Entscheidung liegen, welcher Patient unter häuslicher Quarantäne steht, welcher stationär behandelt werden muss und welcher als gesund aus der Überwachung entlassen werden kann. Die Aufgabe der KVen ist es unserer Ansicht nach, vor allem die Regelversorgung der Bevölkerung weiter aufrecht zu erhalten und vor allem der adäquate Schutz der Vertragsärzte und ihrer Mitarbeiter.
Es kann nicht sein, dass durch die Zwangsteilnahme am Bereitschaftsdienst Vertragsärzte einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt werden, in dem sie als „Abstrichnehmer - und -Transporteure“ verheizt werden bei vermutlich unzureichender Schutzmaßnahmen.
Es kann nicht sein, dass die Mitarbeiter des Fahrdienstes und das Personal in den Bereitschaftsdiensten hier gefährdet werden.
Es darf auch nicht sein, dass ein Bereitschaftsarzt auf Grund des mangelnden Managements nach Entnahme eines Abstrichs unter unzureichenden Bedingungen erstmal selbst zu einer zu isolierenden Kontaktperson wird und notfalls mindestens 24 Stunden aus dem Dienst genommen werden muss. Wenn der Abstrich positiv getestet wird, dann muss der Arzt ggf. Über mindestens zwei Wochen seine Praxis schließen und hat nicht abgedeckte finanzielle Risiken zu tragen.
Bei der Finanzierung kann es auch nicht angehen, dass damit die vertragsärztliche Versorgung für diese Risiken aufkommen muss.
Es ist nicht hinnehmbar, dass die Laborkosten in den Vorababzug der Laborleistungen der Gesamtvergütung „wandern“.
Das Krisenmanagement ist auch hier Sache der öffentlichen Hand und darf nicht auf die budgetierte Gesamtvergütung komplett umgewälzt werden.
Deswegen sollten folgende Punkte bedacht werden:
1. Für entsprechenden Schutz der Vertragsärzte insbesondere in den Bereitschaftsdiensten muss Sorge getragen werden, so dass sie für ein zufälliges Kontaktrisiko ausreichend geschützten.
2. Die 116 117 ist nicht die adäquate Anlaufstelle für Bürgeranfragen zu Corona. Hier muss der KV eine entsprechende zentrale Nummer des öffentlichen Gesundheitsdienstes benannt werden, der diese Anfragen abarbeitet.
3. Kein „Abstrichfahrdienst“ zu Lasten der Vertragsärzteschaft. Keine zusätzliche Belastung und Gefährdung unserer Fahrdienstmitarbeiter.
4. Der öffentliche Gesundheitsdienst ist auch die zentrale Stelle, der die Entnahme von Abstrichen, deren Verarbeitung, Auswertung und Beurteilung übernimmt - das kann nicht Aufgabe der Vertragsärzte sein. Entsprechendes ist von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu fordern und umzusetzen.
5. In einer solchen Krisensituation kann die öffentliche Hand auch uns als Vertragsärzte zwangsweise zu verpflichten. Sie übernimmt damit aber auch die Haftung für finanzielle oder gesundheitliche Schäden, die für unsere Praxen und Mitarbeiter entstehen. Das ist von den KVen abzuklären und vertraglich abzusichern.
6. Die Bewältigung einer Epidemie und Pandemie kann nicht auf die Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung abgewälzt werden - hier ist der Staat und damit der Steuerzahler gefragt. Die KVen haben sicherzustellen, dass die Kosten nicht auf die budgetierte Gesamtvergütung verlagert werden.
Die KV setzt mit ihrem derzeitigen Vorgehen ein falsches Zeichen – ist sie noch eine Selbstverwaltung und Interessenvertretung oder degradiert sie sich so zu einer subalternen Behörde der Gesundheitsminister ?
Die KV Niedersachsens sollte deshalb endlich im Sinne ihrer vertragsärztlichen Mitglieder tätig zu werden und die o.g. Punkte schnellstmöglich umsetzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Steffen Grüner