Die Europäische Vereinigung der Ärztekammern hat den 12. März zum Europäischen Tag gegen Gewalt im Gesundheitswesen ausgerufen. Zum sechsten Mal lenkt dieser Aktionstag den Blick auf ein zentrales Anliegen: ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Respekt und Anerkennung für helfende Berufe selbstverständlich sind – und Gewalt gegen medizinisches Personal keinen Platz hat.
An diesem Tag fand im Kasino des Ärztehauses Osnabrück eine Fortbildungsveranstaltung statt, organisiert von der Bezirksstelle Osnabrück der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN). Unter dem Titel „Aggressionen gegenüber medizinischem Personal in Klinik und Praxis“ beleuchtete sie die wachsende Gewaltproblematik und ihre Folgen für den Arbeitsalltag.
Alarmierende Zahlen
Die Statistiken sprechen eine klare Sprache: In den letzten fünf Jahren wurden fast 50 Prozent der niedergelassenen Ärzte und Praxisteams in Deutschland Opfer körperlicher Gewalt.
Diese Entwicklung ist kein Einzelfall mehr, sondern ein systemisches Problem, das die medizinische Versorgung gefährdet. Übergriffe, Bedrohungen und verbale Attacken nehmen an Häufigkeit und Intensität zu – mit gravierenden Auswirkungen auf die Sicherheit und das Wohlbefinden des Personals.
In Krankenhäusern ist die Lage ebenso besorgniserregend: Über 40 Prozent der Ärzte berichten von einer Zunahme gewalttätiger Vorfälle. Besonders in Notaufnahmen zeigt sich eine alarmierende Tendenz. Überlastete Systeme, lange Wartezeiten und die psychischen Belastungen von Patienten in Stresssituationen gelten als Auslöser.
Doch nicht nur Patienten sind verantwortlich – auch Angehörige tragen zunehmend zu Konflikten bei. Dieses Klima der Angst beeinträchtigt nicht nur das Personal, sondern gefährdet letztlich auch die Qualität der Patientenversorgung.
Dringender Handlungsbedarf
In seiner Eröffnungsrede unterstrich Dr. med. Steffen Grüner, Vorsitzender der ÄKN-Bezirksstelle Osnabrück, die Dringlichkeit:
„Gewalt gegen medizinisches Personal ist inakzeptabel. Sie bedroht nicht nur die Betroffenen, sondern das gesamte Gesundheitssystem.“ Der Arztberuf sei wunderschön, doch Angst vor Übergriffen gehöre nicht dazu.
Dr. med. Marion Charlotte Renneberg, stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, eröffnete den Fachteil mit persönlichen Einblicken. Sie berichtete von Deeskalationssituationen in ihrer Praxis und einem Hausverbot gegen einen aggressiven Patienten.
„Teamarbeit und offene Gespräche über Vorfälle sind unerlässlich“, betonte sie und rief dazu auf, auch medizinisch-technische Assistenten (MTAs) einzubinden.
Fachvorträge: Prävention und Sicherheit
Dr. med. Guido Teckemeyer, Ärztlicher Leiter des Notaufnahmezentrums im Klinikum Osnabrück, widmete sich der Gewalt im Rettungsdienst und in Notaufnahmen. Er betonte, dass Osnabrück im Vergleich zu anderen Regionen weniger betroffen sei, wies jedoch auf Risiken in sozialen Brennpunkten hin. „In Notfällen sind Patienten und Angehörige emotional angespannt. Wir müssen sie ernst nehmen, trotz des Drucks“, sagte er.
Hauptkommissar Martin Schmitz von der Polizeiinspektion Osnabrück stellte ein Sicherheitskonzept vor, das bauliche, technische und organisatorische Maßnahmen umfasst. Er gab praxisnahe Tipps zur Konfliktbewältigung und erläuterte rechtliche Aspekte. „Platzverweise und Hausverbote sollten konsequent umgesetzt und polizeilich dokumentiert werden“, empfahl er und plädierte für klare Leitlinien in Praxen und Kliniken.
Gemeinsame Lösungen
Die Veranstaltung begeisterte rund 80 Teilnehmer, die in lebhaften Diskussionen Lösungen erarbeiteten. Eigene Erfahrungen mit Gewaltvorfällen verdeutlichten den Handlungsbedarf. „Dieser Austausch zeigt, wie dringend wir unsere Fachkräfte schützen müssen. Gewalt im Gesundheitswesen darf keinen Platz haben“, resümierte Dr. Grüner.
Die Ärztekammer Niedersachsen und die Bezirksstelle Osnabrück setzen sich weiter für ein sicheres Arbeitsumfeld ein – durch Fortbildungen, politische Initiativen und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
