Informationsbrief zur geplanten GOÄ-Reform – Ärztetag Leipzig
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auf dem kommenden Deutschen Ärztetag in Leipzig soll in nur zwei Stunden über die neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) beraten und entschieden werden. Diese knappe Debatte wird der Tragweite des Themas keinesfalls gerecht. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die wirtschaftliche Grundlage unserer ärztlichen Tätigkeit.
Was ist problematisch an der geplanten GOÄ-Reform?
Die aktuelle GOÄ basiert im Wesentlichen auf einer Version aus dem Jahr 1996 – in Teilen sogar aus 1982. Seitdem haben sich der medizinische Fortschritt, technologische Standards und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Die nun geplante Reform der GOÄ Neu bleibt dennoch in zentralen Punkten deutlich hinter den Erwartungen zurück:
Keine adäquate Berücksichtigung von Inflation und Kostenentwicklung seit 1996
Starre Steigerungsfaktoren, die individuelle Leistungsbewertung und ärztliches Ermessen erschweren (siehe Anhang Neue GOÄ Auswahl)
Einflussnahme der Privaten Krankenversicherung (PKV) – ein Eingriff in die ärztliche Selbstbestimmung
Annäherung an das GKV-System durch Höchstsätze und Rabatte – eine faktische „EBMisierung“ der GOÄ
Einwände richten sich auch gegen die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung mit OPS-Codierung
sowie die geplante gemeinsame Kommission von BÄK und PKV zur Weiterentwicklung der GOÄ.
Besonders bemerkenswert: Sowohl die DRGs, der EBM als auch die GOÄ neu stammen aus der Feder desselben Mitarbeiters der KBV und Bundesärztekammer und Deutschen Krankenhaus Gesellschaft. Das erklärt, warum sich Aufbau, Logik und Bewertungsstruktur stark ähneln – und warum die GOÄ neu mehr nach Budgetierung als nach freier Honorarordnung aussieht.
Diese Parallelen lassen Zweifel daran aufkommen, ob der Grundgedanke der GOÄ – nämlich die freie und unabhängige ärztliche Tätigkeit im Rahmen eines eigenverantwortlichen Honorarsystems – in der Reform überhaupt noch erkennbar ist.
Eine echte Alternative: Der Vorschlag von Prof. Dr. Günter Neubauer
Prof. Neubauer gehört zu den renommiertesten Gesundheitsökonomen Deutschlands. Mit seinem viel beachteten Neubauer Gutachten für die Kassenärztliche Vereinigung Bayern hat er eindrücklich aufgezeigt, wie sehr Privatpatienten derzeit zur Quersubventionierung der Versorgung von Kassenpatienten beitragen – und wie dringend eine neue, tragfähige GOÄ gebraucht wird.
Sein Konzept basiert auf einem harmonisierten Gesundheits-Preisindex (siehe Anhang), der sich an den tatsächlichen Kosten orientiert – vergleichbar mit dem Verbraucherpreisindex. Der GOÄ-Punktwert würde damit dynamisch an die realen Praxis- und Betriebskosten angepasst – jährlich, transparent, fair.
Was sind die Vorteile?
Das Modell bietet Planbarkeit und Transparenz für alle Beteiligten, da es sich an realen, ermittelten Kosten orientiert und nicht auf pauschalen Erstattungen basiert. Gleichzeitig ermöglicht es eine gewisse Flexibilität, um sich an neue medizinische oder wirtschaftliche Entwicklungen anzupassen. Es sorgt also für eine faire und zukunftssichere Vergütung ärztlicher Leistungen, die sowohl die wirtschaftliche Realität als auch die Qualität der medizinischen Versorgung berücksichtigt.
Unser Fazit:
Zwar hat die Bundesärztekammer (BÄK) ein Clearingverfahren zur neuen GOÄ eingeleitet, nachdem der Entwurf auf heftige Kritik stieß. V.a. die Facharztverbände fordern die Beibehaltung von Steigerungsfaktoren und eine bessere Vergütung fachärztlicher Leistungen und lehnen die geplante Förderung der „sprechenden Medizin“ ab, wenn diese auf Kosten hochwertiger Facharztleistungen geht. Zudem wird die elektronische Rechnungsstellung mit OPS-Codierung als unnötige Bürokratie kritisiert, die Patientenrechte schwäche. Die Einführung einer paritätisch besetzten Kommission zur Weiterentwicklung der GOÄ wird als hinderlich angesehen, da sie die Rechte der Leistungsträger beschneiden könnte. Wäre also nicht der Vorschlag von Prof. Neubauer eine ernsthafte Alternative, die auf dem Ärztetag in die Diskussion eingebracht werden sollte?
Ihre Meinung ist gefragt! Wie sehen Sie die geplante GOÄ-Reform?
Sind Sie mit dem aktuellen Stand (siehe Anhang Neue GOÄ Auswahl) zufrieden – oder sehen auch Sie die Notwendigkeit für einen grundlegenderen und dynamischeren Ansatz? Sollten wir auf dem Ärztetag nicht den Mut haben, über echte Alternativen wie das Neubauer-Modell (siehe Anhang Präsentation_Gesundheits-Preis-Index) offen zu sprechen?
Lassen Sie uns in den Dialog treten – kollegial, sachlich und mit Blick auf die Zukunft unserer freiberuflichen Tätigkeit.
Mit kollegialen Grüßen,
Dr. Steffen Grüner
Bezirksstelle Osnabrück
Ärztekammer Niedersachsen


