· 17. Juni 2022  ·

Künftig zur „Behandlung“ in die Apotheke

oder doch lieber zum Arzt?

90 Euro für eine erweiterte Medikationsberatung in Apotheken

Patientinnen und Patienten können sich künftig auf Kassenkosten in Apotheken unter anderem den Blutdruck messen lassen, Apotheker bzw. deren Angestellte „bearbeiten“ dann die Blutdruckeinstellung oder den Medikamentenplan, an dem auch Änderungen vorgenommen werden können. Das sieht eine Gesetzesänderung im Paragrafen 129 des fünften Sozialgesetzbuches vor, die noch aus der Spahn-Ära stammt. Das Paket an neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, auf das sich Deutscher Apothekerverband und Gesetzliche Krankenkassen Spitzenverband nun per Schiedsspruch geeinigt haben, tritt demnächst in Kraft.

"Letztendlich ein unhaltbarer Zustand - Tätigkeit von Hausärzten, Lungenfachärzten, Kardiologen, Nierenärzten, Onkologen und weiteren Fachärzten werden hier ohne Grund in die Apotheken verlagert. Alle Arztpraxen führen Arzneimitteltherapie-Sicherheitsprüfungen vor Ort durch, Blutdruckeinstellungen und Schulungen für Asthma Sprays nehmen wir in den Praxen vor. Selbstverständlich werden sich Lungen-, Herz- und Nierentransplantierte, Krebspatienten und auch alle anderen weiterhin von ihren Ärzten behandeln und beraten lassen – auch in Bezug auf ihre Medikamente. Und nicht am Apothekentresen. Die Blutdruckeinstellung ist nicht Aufgabe des Apothekers, dessen Angestellten sicherlich nicht die ärztliche Expertise haben - das gilt auch für Impfleistungen" so Dr. Steffen Grüner, Bezirksstellenvorsitzender der Ärztekammer Niedersachsen in Osnabrück.

"Ein weiterer Kritikpunkt: 90 Euro fürs Blutdruckmessen in der Apotheke ist ein Vielfaches, was ein niedergelassener Arzt im Quartal für die Behandlung seines Patienten erhält - egal, wie oft dieser den Patienten sieht. Bedenkt man dazu die seit Jahrzehnten nicht angepassten Gebührenordnungen, den Wegfall der Corona- und Hygienezuschläge, so erscheint das wie ein Schlag in das Gesicht der Ärzteschaft, die im ambulanten Bereich den Eckpfeiler der Versorgung darstellen. Auch hier wieder ein deutliches Fehlverhalten der Politik - anstatt die Grundversorger zu stärken, werden hier unnötige Zusatzpakete geschnürt - angesichts defizitäre Kassen sicher ein sehr zweifelhaftes Angebot und eine erneute Fehlallokation von Versichertengeldern.